Samstag, 19. Februar 2011

in Indien

Die Zeit verfliegt. Eben noch hatte ich Angst davor, das Haus zu verlassen und jetzt bin ich schon über ein halbes Jahr hier. Am Anfang dachte ich, es würde nie vorüber gehen, jetzt sind es nur noch 3 Monate, bis ich wieder nach Hause fliege. Bis jetzt war es eine Achterbahnfahrt und ich bezweifle, dass sich das in den nächsten Monaten ändern wird. In einer Woche brechen wir auf gen Norden, der vorletzte Trip, den ich mit Rotary machen werde. Raena und ich machen schon Listen und haben heute noch ein Paket aus den USA gekriegt :) Mit ganz viel ungesundem Essen, versteht sich. Und Unterhosen und Socken. Nächste Woche kaufen wir dann die Letzten Sachen und gehen auch mit Ma nochmal einkaufen, sie lässt uns im internationalen Supermarkt shoppen, weil sie mit ihrem Bruder reisen geht und will, dass wir alles haben, was wir brauchen, wenn sie weg ist.
Im College geht es jetzt in die Endphase, nächste Woche haben wir unsere letzten Kurse. In Archäologie habe ich erfolgreich einen Vortrag gehalten und heute hatten wir eine extra- lange Stunde (3 Std). Unser Kurs war der einzige im ganzen Gebäude, da heute wohl ein Feiertag war. Weil wir trotzdem alle so brav gekommen waren haben wir Wada Pav ( frittiertes, würzig- scharfes Kartoffel- Ding im weichen Brötchen, seeeehr gut) und Kaffee gekriegt, das war super lieb.
Tagsüber haben Raena und ich oftmals wenig zu tun, daher versuchen wir so kreativ wie möglich zu sein, das endet dann gerne mal damit, dass wir T- Shirts zerschneiden :) Ansonsten ist es auch manchmal ein bisschen langweilig und wir freuen uns immer sehr, wenn Ma die Zeit findet, etwas mit uns zu unternehmen. Außerdem haben wir mit unserer Tante gesprochen (Tante klingt viel zu alt, sie ist total jung und super cool), die Näherin ist und uns sticken und so einen Kram beibringen will, in dem Monat, zwischen unserem Trip und Mamas Besuch. Da werde ich mich auf jeden Fall dranhängen, die hat nämlich echt Ahnung.
Diese Tante war es auch, mit der wir Anfang der Woche ein richtig langes Gespräch hatten. Sie hat uns von ihrem Hochzeittags- Ausflug zu den Malediven erzählt (Ja, da kann man ruhig neidisch werden) und aber auch, dass ihre Ehe arrangiert ist, was mich doch sehr wunderte, da sie immer total modern scheint, was sie ja auch ist, war ja nicht ihre Entscheidung, aber trotzdem. Sie hat meinen Onkel erst 20 Minuten vor der Hochzeit das erste Mal gesehen. Und ich glaube, die beiden sind sehr glücklich. Ihr Bruder hatte es schwerer, da dieser sich schon in ein Mädchen verliebt hatte, da er aber clever war hat er es irgendwie so gedreht, dass sich sein Vater am Ende für seine Geliebte entschieden hat. Arrangierte Ehen sind hier an der Tagesordnung und nichts wofür sich geschämt wird. Liebes- Ehen sind immer noch etwas ziemlich neues und in den kleinen Dörfern unvorstellbares, dort ist so etwas ein guter Grund, jemanden umzubringen. Trotzdem sehe ich viele Paare, die in ihrer arrangierten Ehe glücklich sind. Man kennt eben nichts anderes.
Am 15. März oder so werde ich wieder die Familie wechseln, ich bin schon ganz gespannt, wohin ich dann komme. Nach einem Monat gehe ich dann wieder in meine erste Gastfamilie, und ich muss sagen, da freue ich mich schon drauf. 2 Wochen wird Mama dann mit mir da leben, übers Wochenende werden wir wahrscheinlich nach Goa ans Meer fahren, ein bisschen Farbe kriegen.
Heute bin ich alleine nach Hause gelaufen, in der Sonne. Habe Geld abgehoben und mein Handy mit Guthaben aufgefüllt. Es füllt sich gut an, so selbstständig in einem so fremden Land zu sein. Mittlerweile vielleicht nicht mehr ganz so fremd. Die Sonne ist schon super heiß, aber es fühlt sich einfach gut an, erst in der Hitze zu laufen und dann aufs Bett zu sinken und den Ventilator einzuschalten.
Was ich vergessen hatte zu erzählen: Bei der District Conference wurden uns die Kostüme fürs Tanzen geklaut! Alle maßgeschneidert! Sie lagen bei einer Rotarierin im Auto. Alles weg. Und unsere Tanzlehrerin ist schon total ausgeflippt und wollte ins nächste Dorf fahren um uns über Nacht noch etwas schneidern zu lassen. Im Endeffekt hat der Dieb jedoch bemerkt, dass in den Tüten nichts Wertvolles ist und hat sie beim Wachmann abgegeben. Doch nochmal alles gut gegangen.
Unser Fitness- Kurs ist um halb acht morgens, wir verlassen das Haus um sieben. Die Sonne geht gerade erst hinter den Eisenbahnschienen auf, die Straßen sind voll mit schlafenden Menschen, in orangenes Licht getaucht. Einsame Hunde rennen neben Rikshaws, ein paar Menschen stehen vor ihren Hütten und putzen sich die Zähne. Wir fahren durch den Slum an den Eisenbahnschienen, über die Brücke, der Fluss noch ganz dunkel, einzelne Feuer, ein paar Frühaufsteher. An einer Mauer lehnen die Wagen, auf denen Tagsüber Früchte, Gemüse, Teppiche und mehr verkauft wird, oder Schrott eingesammelt. Die leeren Straßen werden von Frauen mit bunten Tüchern auf dem Kopf gefegt, alles wirkt verschlafen. Die Ruhe vor dem Sturm. Bevor die Menschenmassen und tausenden Fahrzeuge wieder auf den Straßen unterwegs sind und die Sonne einen verbrennt.
Bald gibt es überall reife Mangos und man hält es nur noch mit Ventilatoren in jedem Zimmer aus. Ich bin gespannt, wie mein deutscher Körper auf den indischen Sommer reagieren wird. Aber auch jetzt ist es schon heißer, als ich es normalerweise gewöhnt bin, immer so 30°C. Irgendwie freue ich mich auch auf den Sommer, ich wünschte nur, ich wäre für den erste Regen hier. Das muss sich wunderbar anfühlen.
Ma wird bald wieder einen Welpen- Adoptions- Tag, wir freuen uns schon. Morgen gehen wir auf das Konzert von meinem Cousin (13), er spielt im Hard Rock Café Pune, ich bin sehr gespannt.
Jetzt muss ich duschen, wir kommen nämlich gerade von unserem Zumba- Kurs wieder. War wieder sehr gut, trotzdem freue ich mich darauf, nächsten Monat wieder einen Poweryoga- Kurs zu machen, macht einfach viel zu viel Spaß. Wir lesen ein total gutes Buch: „ The White Tiger“ von Aravinda Adiga, habe erst 20 Seiten gelesen, aber gefällt mir. Sehr ehrlich, über Indien.
Melde mich nochmal, bevor wir abreisen.

1 Kommentar:

  1. Ui, das war ja wieder eine lange Arbeit ;-) - schön, so viel von dir zu lesen. Im Grunde habe ich den Eindruck, hier ziemlich exklusiv im Blog zu sein, denn viele Antworten tauchen nicht auf. Hatte eigentlich einen regen GedankenAustausch erwartet, aber vielleicht läuft das ja über andere Kanäle. Da ich bei der geringen BesuchsFrequenz wohl nicht Gefahr laufen werde, andere zu nerven, heute mal ein paar Worte mehr zur Situation bei Calypsonic.
    (Gibt's da nicht auch ein Forum?) ;-)
    Ich war am letzten WochenEnde wieder in Bath bei Toussaint und habe den LadeRaum des Sprinters genutzt, um unserer Instrumentarium zu erweitern. Wir sind jetzt durchgehend doppelt besetzt, was uns neben Calypsociation zum bestausgestatteten SteelOrchester auf dem Kontinent macht. Leider ist es jedoch allein mit dem Besitz der "PowerTools" noch nicht getan, denn dummerweise entsteht ein KunstWerk erst durch intensive, oft auch harte Arbeit und die erfordert Zeit, sogar FreiZeit, die in der gegenwärtigen SchulSituation wohl kaum noch verfügbar ist. G8 - wer sich sowas ausdenkt, dem sollte man als GegenLeistung auch das Leben um 10 Jahre verkürzen, damit er/sie alles viel kompakter und effizienter hinter sich bringt...
    Eine Zivilisation, die sich anschickt, ihren Planeten zu verlassen, verkürzt bei bestehender WissensExplosion die AusbildungsPhase ihres Nachwuchses - das geht krachen!
    Für mich wäre G10 der richtige Ansatz, aber dann kommt die Jugend wohl zu kritisch und selbstbewußt in die BerufsAusbildung/Studium.
    Die Matrix braucht effektive FunktionsTräger!
    Ganz abgesehen davon, dass es zwischen Kindheit und ErwachsenSein Dinge gibt, die unwiederholbar und für ein glückliches Leben unabdingbar sind. Wichtig ist allein die Rente? Wenn ich wählen sollte, ich würde mich erneut für eine intensive Jugend entscheiden, und auf das, was jetzt kommt, Glatze, Gebiss, Hörgerät, Rollator sofort verzichten.
    Einmal in der Woche fahre ich auf dem Weg zur Johannes Wulf Schule in Do an einer WerbeTafel mit dem Bild von Omma und Oppa in Schön vorbei. Es hängt an einer modernen AltersKaserne mit VollVersorgung: "Für die schönsten Jahre des Lebens" - Dazu muss man nichts mehr sagen...
    Hui, da bin ich doch etwas vom Thema abgedriftet!
    Du hast nun die unglaubliche Chance, dir durch deinen Aufenthalt in Indien auf ganz konkrete Art das Bewußtsein zu erweitern und mit "optimierten WertMaßstäben" zurückzukehren. Dann beginnt die Arbeit: Eine solche Leonie könnte selbst in der Schule einiges bewirken. :-)
    Zum Schluss zurück zu Calypsonic. Wenn du auf unseren TerminPlan schaust, zeigt er dir, dass dieses Jahr bereits jetzt Großes erwarten lässt. Inzwischen haben wir zwei OrchesterProben, am Freitag und am Montag und auch samstags biete ich ZusatzUnterricht an. So bin ich nun zum absoluten FreiZeitFresser geworden. Was kann ich zu meiner RechtFertigung sagen? Tu was du willst - es kommt nicht darauf an, was du machst, sondern wie du es machst. Zum Zentrum gelangst du stets durch Tiefgang, ganz gleich, wo du beginnst, der Rest ist Oberflächlichkeit.
    Was wäre noch zu erzählen?
    FreitagMorgen hatten wir eine PresseKonferenz mit einem unserer Sponsoren. Ich bin noch jetzt geschockt: Der alte Herr (Dr. X!) stand zwar im Raum, war aber nicht anwesend! Fast schon beängstigend... ein Hinweis auf die Matrix? ;-)
    Am Abend dann die Überraschung: JennyR ist aus Frankreich zurück. Aber nun muss sie sich natürlich völlig auf die Schule konzentrieren...
    Gegen 20.00 Uhr war Schicht und Fete bei Wiebke, konntest Du wenigsten per VideoKonf dabei sein?
    Das ist jetzt eine gute Stelle, dich wieder freizugeben. Ich werde nun frühstücken und Dok5 hören - kurz schauen, was Thema ist:
    "Ostaz - Entführt in Gaza. Petitionen für Alan Johnston"
    Willkommen auf dem Planeten Erde, 21. Jahrhundert!
    Nette Grüße an dich und all die lieben Menschen um dich, DerWerNer

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